Es existieren verschiedene Arten der Verhaltensmotivation. Recht bekannt sind die Bezeichnungen extrinsische und intrinsische Motivation, wie von Edward L. Deci and Richard M. Ryan beschrieben. Extrinsisch motiviertes Verhalten hat instrumentellen Charakter und dient der Erlangung einer von der Handlungen separierbaren Konsequenz, ist somit fremdbestimmt. Intrinsisch motiviertes Verhalten weist Interessenkonformität auf ohne das Erfordernis einer von der Handlung separierbaren Konsequenz und ist damit selbstbestimmt.

Intrinsische Nachhaltigkeit

Der Begriff der Intrinsik verweist darauf, dass ein Aspekt im Selbstbild angelegt ist. Eine dem zugrundeliegende Handlung besitzt unmittelbaren Selbstbezug. Intrinsisch motiviertes Verhalten weist somit Interessenkonformität auf. Dementsprechend ist eine Handlung intrinsisch motiviert, wenn sie wegen ihrer selbst durchgeführt wird. Die Idee von Intrinsischer Nachhaltigkeit folgt dieser Definition. Sie setzt voraus, dass Nachhaltigkeit im Selbstbild angelegt ist. Nachhaltiges Verhalten ist dann nicht mehr fremdbestimmt durch Belohnung oder Bestrafung sondern steht im direkten Interesse des Handlungsführers, ist somit selbstbestimmt.

Intrinsische Nachhaltigkeit entwickeln

Verschiedene Konzepte verweisen auf den Zusammenhang zwischen persönlicher Reife und nachhaltigem Verhalten. Der Prozess der Persönlichkeitsentwicklung beruht auf der Fähigkeit Lösungen zu einer Reihe von existentiellen Problemen zu finden, die sich im Laufe des Lebens entfalten. Jedes gelöste Problem steigert die Komplexität der Persönlichkeit und reichert sie mit mehr weltlicher Substanz an. Das intrinsische Muster erweitert sich gewissermaßen. Im Rahmen der Wissenschaft wurden mehrere Aggregate bzw. Stufen der Persönlichkeit definiert, die einer festgeschriebenen Ordnung folgen. Aus dieser lässt sich eine konkrete Stufe ableiten, die die Inklusion von Nachhaltigkeit verlangt.

Clare W. Graves bezeichnet diese Stufen als Ebenen der menschlichen Existenz (Levels of Human Existence). Im Menschen lassen sich die Entwicklungsebenen nur schwer bestimmen. Das liegt daran, dass für gewöhnlich mehrere Ebenen gleichzeitig aktiv sind. Darüber hinaus existieren Ansätze, die die menschliche Persönlichkeit in verschiedene Bestandteile aufgliedern, wie die Kognition, Affekte, Moral, Spiritualität und einige weitere. Ken Wilber spricht in diesem Zusammenhang von Entwicklungslinien der Persönlichkeit. Jeder Persönlichkeitsbestandteil existiert auf seiner eigenen Entwicklungsebene. Das bedeutet, dass sich die Persönlichkeit aus mehreren Bestandteilen unterschiedlicher Entwicklungsstufen zusammensetzen kann.

Bestimmte Voraussetzungen oder Erfahrungen können einen Wechsel der Entwicklungsebene begünstigen bzw. herbeiführen. Allerdings existieren auch Hindernisse, die die Weiterentwicklung der Persönlichkeit hemmen oder verhindern. Eines der wesentlichen Hindernisse ist das menschliche Ego. Sehr vereinfacht dargestellt, schreibt sich das Ego bestimmte Merkmale als feste Bestandteile zu, durch welche es sich identifiziert und an die es sich emotional bindet. Dieser Mechanismus kann zum Stillstand der Persönlichkeitsentwicklung führen.

Intrinsische Nachhaltigkeit und Moral

In Bezug auf intrinsische Nachhaltigkeit bildet die moralische Entwicklung des Menschen ein entscheidendes Kriterium. Die Moral repräsentiert einen Bestandteil der menschlichen Persönlichkeit. Lawrence Kohlberg definiert 6 Stufen der Moral in einem Modell, welches dem Ebenenmodell der menschlichen Existenz von Graves in seiner Art ähnelt. Die 6. und damit höchste moralische Stufe ist von besonderer Bedeutung. Sie verkörpert eine allgemeingültige und universelle Moral. Das primäre Ziel ist die Gleichberechtigung aller Ansprüche in allen Situationen. Dies beinhaltet die kollektive Verantwortung zur Realisierung und Vermittlung zwischen allen Stufen, das pädagogische Engagement gegenüber den Individuen der niedrigeren Stufen sowie den Selbstanspruch der faktischen Realisierung der sechsten Stufe für das eigene Leben.

Interessant wird es, wenn man die niedrigen Stufen der Moral betrachtet. In verkürzter Form definieren sie sich folgendermaßen: Stufe 1 ist unmittelbar auf Strafe, Gehorsam und Belohnung ausgerichtet. Als gut wird eine Handlung bewertet, mit welcher einer Strafe entgangen werden kann oder welche eine Belohnung erbringt. Auf Stufe 2 ist eine Handlung dann gerecht, wenn dessen Beanspruchung für die beteiligten Parteien möglich ist sowie reziprok zur Vermeidung von Nachteilen oder zum Vorteilsgewinn verhelfen kann. Die Gegenseitige Beziehung ist instrumentalisierend. Vergleicht man die Definitionen beider Stufen mit der Definition der extrinsischen Motivation von Edward L. Deci and Richard M. Ryan, so ergeben sich ähnliche Aussagen: Extrinsisch motiviertes Verhalten hat einen instrumentellen Charakter und dient der Erlangung einer von der Handlung separierbaren Konsequenz. Das Verhalten ist von äußeren Anreiz- und Steuerungsfaktoren abhängig. Das primäre Ziel liegt auf dem Entgehen einer Strafe oder dem Erhalt einer Belohnung.

Intrinsische Nachhaltigkeit – Moral und Verhalten

In der Gesellschaft treten Belohnungen beispielsweise in Form von Bezahlung, Status, Respekt, Einfluss oder Macht auf. Bestrafungen gestalten sich, unter anderem, in der Form von Sanktionen, Entlassung, Degradierung oder Demütigung. Unter der Berücksichtigung der Theorien von Kohlberg und Deci/Ryan werden extrinsisch auferlegte Regeln und Verpflichtungen nicht ausreichen, um den hohen Anforderungen, die die Nachhaltigkeit an uns stellt, langfristig und im globalen Maßstab gerecht zu werden. Es verlangt nach einer Erweiterung des inneren Rahmens, um Nachhaltigkeit zu einer intrinsischen Handlungsprämisse zu machen.

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Dr. Steve Windels,
Intrinsische Nachhaltigkeit
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